Freitag, 13. Februar 2015

Myanmar - Der Pagodenwart

270°-Blick von einer der zahlreichen Pagoden
Wir radeln durch die wärmende Vormittagssonne und lassen Nyaung U hinter uns. Rechts und links taucht eine savannenartige Vegetation auf. Kakteen wechseln sich mit Sträuchern und einzelnen Bäumen in einer sandigen Graslandschaft ab. Dazwischen stehen immer wieder kleinere und größere Pagoden - teils recht als aus Backstein, teils verkleidet und golden ummantelt.

Die Vegetation ist savannenartig - Kakteen, vereinzelte Bäume,
Gräser auf sandigem Untergrund und dazwischen immer wieder eine Pagode
Von der Straße führen immer wieder kleinere Trampelpfade in das sandige Umland. Wir folgen einem dieser Pfade mit unseren Rädern. Leider ist der Zustand unserer Drahtesel nicht der beste, so dass wir schon bald schieben müssen. Nach kurzer Zeit tauchen vor uns zwei kleine Pagoden auf. Mit ihrem abgedunkelten roten Ziegeln sehen sie schon recht historisch aus. Es fehlen einige Teile der des Dachs, ein paar Verzierungen sind abgebröckelt und die zum Teil jahrhundertelang anhaltende Verwitterung ist ihnen anzusehen. Nichtsdestotrotz, sie stehen noch!

Das Meer an Pagoden scheint endlos zu sein.
 
Im Innenraum einer der Pagoden empfängt uns zu unserer eigenen Überraschung ein wohl selbst ernannter Pagodenwart. Freundlich begrüßt er uns und weißt uns auf die prähistorischen und, wie wir später erfahren, nur noch äußerst selten vorkommenden Wandmalereien hin, die uns Fresken-ähnlich von den Wänden anschauen. Aber das ist nicht das einzig sehenswerte: der "Pagodenwart" deutet in Richtung einer dunklen Nische mit einer Öffnung und leuchtet mit einer etwas funseligen Taschenlampe eine dahinterliegende Treppe hinauf. Wir folgen dem Tipp unseres "Gastgebers", kriechen noch durch eine kleine Öffnung und stehen auf einmal auf einer Art Balkon. Die Aussicht ist traumhaft. Die Morgensonne ist immer noch golden und steht recht tief. Wir können über die Bäume der Umgebung schauen und entdecken eine Unmenge an Pagodenruinen, die sich über die Umgebung verstreuen. Auf knapp 42 km² verteilen sich hier Pagoden unterschiedlicher Größen, unterschiedlicher Bedeutungen und unterschiedlicher Entstehungszeit.

Eine der wenigen noch gut erhaltenen
historischen Wandmalereien.

Wir schlüpfen durch eine weitere kleine Öffnung und erreichen den äußeren Ring des Pagodenturms. Auf einem 40 cm breiten Sims kann man nun um die Pagode balancieren und dabei die beeindruckende Umgebung betrachten. Inmitten dieser morgendlichen Ruhe und Einsamkeit fällt langsam die Müdigkeit der nächtlichen Reise von uns ab und wir merken, dass wir langsam "ankommen".


 

Im Hauptraum der unteren Etage wartet bereits unser "Pagodenwart" wieder auf uns. Er hat mittlerweile ein paar Gemälde zu mehreren Stapeln auf dem Boden ausgebreitet. Betonend, dass er uns zu nichts drängen möchte, denn dann wäre es kein gutes Geschäft für ihn, zeigt er uns nun alle seine (geschätzten) 100 Gemälde. Es sind Sandmalereien - ein typisches Handwerk für diese Gegend. Dabei wird Farbe mit Sand vermischt und aufgetragen. Zum Teil wird anschließend mit einem Spatel oder einem Messer die Sandfarbe wieder entfernt. Uns interessieren weniger die Gemälde - schließlich haben wir noch mehr als drei Wochen Reisen vor uns - als vielmehr die Geschichte dahinter. Der Pagodenhausmeister erzählt, dass die Gemälde angeblich von ihm und seinen Brüder stammen würden. Es werden uns viele historische Motive und ein paar eigene Entwürfe gezeigt, immer mit dem Zusatz: "It's funny, it's from me". Diese Motive zeigen breit grinsende, kleine Comicmännchen, die sich zum Teil in obszönen Posen präsentieren.
Nach weiteren Nachfragen, erzählt uns der Künstler, dass er jeden Morgen gegen acht oder neun die Pagode aufschließen würde und dann seine Bilder verkauft. Manchmal bringt er dann seine Zeichenutensilien mit und malt hier oder seine Familie macht dies in der Zwischenzeit zu Hause. Egal ob mit Pinsel und Leinwand oder nur mit bemalten Leinwänden, er wäre jeden Tag bis nach Sonnenuntergang hier. Denn um diese Zeit würden die meisten Touristen noch einmal zu den Pagoden ausschwärmen.

Erst einige Zeit später durchschauen wir das kleine Schlitzohr. Ob er offiziell von irgendeiner Denkmalschutzbehörde wirklich damit beauftragt wurde, die Pagode morgens aufzuschließen oder ob er selbst irgendwann ein Schloss an die Tür gemacht hat, um seinen Verkaufsraum vor anderen Händlern zu schützen, können wir nicht beurteilen. Aber wir erleben in den nächsten Tagen immer wieder, dass Pagoden von lokalen Gemäldehändlern belagert werden. Diese warten nur auf Touristen, um sich dann auf sie zu stürzen. In dem Sinne haben wir mit unserem ersten "Pagodenwart" direkt Glück gehabt, da er sich die zurückhaltende burmanische Art bewahrt hat. An anderen Plätzen der Gegend geht es da ganz anders zu - aber dazu später mehr.
Was uns allerdings auch noch in Erstaunen versetzt, ist, dass wir in den kommenden Tagen zig Gemäldehändler finden, aber wir nicht einen einzigen Künstler sehen. Nicht so wie in Yangon oder Mandalay, wo die Künstler zum Teil auf der Straße zeichnen. Auch scheint es keinesfalls üblich zu sein, in der Pagode zu sitzen und nebenher zu zeichnen. Gern hätte das gesehen.
Am Schluss bleibt ein leichter Zweifel zurück, von wem die Gemälde eigentlich stammen. Denn dass die historischen Motive alle ähnlich sind und von Händler zu Händler zum Teil gleich aussehen, kann auch noch etwas mit einem historisch begründeten Bildaufbau zu tun haben. Allerdings sehen wir später in Yangon in ein paar Galerien die angeblich "eigenen Motive" des Pagodenhausmeisters  und wenig später entdecken wir auch deren Ursprung: in Myanmar ist dieser Stil ein beliebter Karikatur-Stil, der zahlreiche Bücher füllt.

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