Sonntag, 15. Februar 2015

Myanmar - Das Ding mit den Longyis

Vor uns tut sich in der beeindruckenden Stadtmauer eine Lücke auf und schon rollen wir in "Old Bagan" ein. Links lassen wir die alten Ruinen des Königspalasts liegen, rechts taucht eine Palastrekonstruktion auf. Im ersten Moment erinnert sie ein bisschen an eines der zahlreichen Ressorthotels der Umgebung.
Weiter geht es an zahllosen recht großen Pagoden vorbei. Sie sind teilweise renoviert und verteilen sich quer über die Stadt.

Die Bupaya Pagode mit ihrer typischen Form.

Die Sonne spiegelt sich in der goldenen Kuppel der Bupaya Pagode. Es handelt sich bei dieser Pagode um die um einiges seltener vorkommende Gurken- oder Eierform und zeugt von ihrem hohen Alter und ihrer Entstehung vor dem 10. Jahrhundert.
Da die Pagode erhöht über dem Fluss liegt, können wir wunderbar über die westliche Umgebung der Stadt, die Ufer des Ayeyarwarddy und der fernen Bergkette schauen. Unter uns warten Bootsführer auf zahlungswillige Touristen, die sich über den Fluss schippern lassen. Gruppenweise treffen diese vor der Pagode ein, zumeist aus China, Frankreich, Thailand,...

Der Ayeyarwarddy-Fluss.

Bald scharen sich auch um uns einige Touristen, aber auch heimische Besucher, mit denen wir um die Wette in ihre Kameras grinsen. Vorbei ist es mit dem ruhigen Flussblick und der kurzen Schattenpause. Der Reiseführer muss ein andermal weiter studiert werden, wollen wir nicht auf noch mehr asiatischen Urlaubsbildern und Facebook-Posts fremder Accounts zu sehen sein.
Trotz dem Trubel knien sich immer wieder Gläubige nieder und verharren einige Momente in stiller Konzentration. Etwas neidisch schaue ich noch einmal zu ihnen hinüber, während ich meinen Drahtesel durch die nächste Reisebusgruppe, weg von der Pagode schiebe.

Ein paar hundert Meter weiter, wir radeln gerade vor die Gubizatgyi-Pagode läuft eine aufgeregte Frau auf uns zu. Freundlich ruft sie schon von weitem "Hello, hello!". Wenig später sitze ich in ihrer Hütte auf einem kleinen Hocker und lasse mir von ihr Thanaka ins Gesicht streichen. Nicht das aus der Cremedose. Nein, das echte, handgemahlene.

Beim Thanaka-Reiben.


Die Süßholzrinde wird auf dem Reibstein abgeschmirgelt
und leicht mit Wasser zu Thanaka vermengt.

Und da den Myanmaren ihr Thanaka nicht nur als Sonnenschutz, sondern auch als eine Art Schmuck dient, werden flugs mit einem kleinen Stäbchen ein paar Linien in die noch frische Farbe gezeichnet und daraus Blätter geformt. Hübsch, stellt die Frau fest und ist - nun nach erfolgreichem Entrée - gleich beim Geschäft. Immer mehr Longyis mit wirklich beeindruckenden Mustern breitet sie vor mir auf dem Tisch aus. Ich überlege kurz, winke dann aber ab und sage ihr, dass ich bereits einen habe. Ich lasse dabei aus, dass ich mich damit schon zwei Tage durch Yangon "gequält" habe. Anders kann ich es leider nicht beschreiben. Denn so schön er auch aussieht, sobald die Haut auch nur minimalst anfängt zu schwitzen, bleibt der Stoff an den Beinen hängen. Das heißt, er rutscht entweder hoch oder ich muss Mini-Tippelschritte machen. Nicht nur einen Wutanfall hat das verursacht: wer denkt sich so ein fürchterliches Kleidungsstück aus, mit dem man nicht von der Stelle kommt, man nicht schnell genug die Straße überqueren kann und Angst haben muss, jederzeit von einem Bus überfahren zu werden. Wie schon geschrieben: all das erzähle ich ihr nicht, sondern lediglich, dass ich bereits einen besitze.
Sogleich will sie wissen, ob er offen oder geschlossen ist - also wie ein normaler Wickelrock oder als Schlauch genäht und dann gewickelt.
"Offen", sage ich. Und schon wird sie wieder ganz geschäftig und erklärt mir, dass das nicht gut ist. Mit offenen Longyis würde das Laufen schwer fallen und man würde ständig hängen bleiben. Ach nee, denke ich. Und bedanke mich innerlich bei unserem Yangon'schen Reiseführer, der sich als Longyi-Spezialist aufgeführt und zum Kauf des offenen Longyis geraten hatte, denn der wäre ja viel schöner und viel moderner.
Um ihre Aussage zu bekräftigen klopft sich die Verkäuferin auf beide Schenkel, setzt sich auf ihren Schemel, macht die Beine weit auseinander und verweist wiederum auf die Bequemlichkeit und den hohen Tragekomfort, ohne dass zu viel Haut zu sehen sei.
Na gut, nach weiteren 20 min stapfe ich mit Longyi Nummer zwei davon.

Thanaka-Verzierung: Während die Paste trocknet,
hinterlässt sie ein angenehm kühles Gefühl.

 Fahrradfahren ist tatsächlich kein Problem mit dem neuen, geschlossenen Longyi, aber wehe ich halte an und steige ab. Während ich noch mit beiden Händen das Fahrrad durch den sandigen Untergrund lenke, fängt der Longyi an, sich immer weiter in Richtung Erdboden zu bewegen. Ergebnis: aller 10 min muss ich neu binden. Das ist mir zu viel Stress. Für den restlichen Urlaub gibt es Longyi-frei und die Stoffe sind gedanklich schon zu schönen Auto-Sitzpolsterbezügen umgenäht.

Kleiner Einschub:
Sollte einer von euch mal auf die Idee kommen, sich in Myanmar einen Longyi zu kaufen, was sich im Laufe eines Urlaubs eigentlich kaum vermeiden lässt, dann lasst euch für den Anfang keinen besonders schönen aufschwatzen. Die sind nicht nur (verhältnismäßig) hochpreisig, sondern meist auch dicker gewebt und zum Teil mit Mustern bestickt. Das hört sich alles super an, macht den Longyi aber ziemlich steif. Und solch ein steifes Ding am Anfang ordentlich gebunden zu bekommen, so dass er schön fällt und auch hält, ist nicht einfach. Nehmt lieber den günstigsten, den ihr bekommen könnt, aus einem schönen dünnen Baumwollstoff. Zieht den ein paar Mal durchs Wasser und wetzt ihn ein bisschen an und schön geht alles viel geschmeidiger.
 


Myanmarin im traditionellen Longyi:
als Schlauch genäht und dann um die Hüften gewickelt.

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