Dienstag, 3. März 2015

Myanmar - ein Urlaubstag


Meistens stellt man sich die Urlaubstage ja doch etwas ruhiger vor. Wir haben es nicht unbedingt auf ewig andauernde Strand-Sessions abgesehen, sondern eher auf zahlreiche neue Eindrücke, aber auch die wollen dosiert sein. Leider schaffen wir das  noch  nicht ganz so gut:

- Morgens  6  Uhr -
Wir stehen auf  einer Pagode, haben die Kamera ausgerichtet und warten mit einigen zig anderen Touristen auf den Sonnenaufgang.

Sonnenaufgang über Bagan

- Morgens 8 Uhr -
Zum Frühstück gibt es in Fett ausgelassenes Ei, ein bisschen Toast und schwarzen Kaffee im Hinterhof unseres Hotels. Beim Blick über den Hof wird uns klar, warum unsere Sachen bei jeder Wäsche eher schmutziger als sauberer werden: unsere Sachen hängen nach einer ausgiebigen Handwäsche in kaltem Seifenwasser über einem rostigen Draht worüber sich wiederum ein paar Vögel daran erfreuen "Zielscheißen" zu üben.

- Morgens um 9 Uhr -
Mit einem "Shared Taxi" - also eigentlich einem Kleinbus, in dem man einen Sitzplatz für 9 Dollar reserviert, fahren wir durch die karge und trockene Ebene östlich von Bagan. Die Vegetation sieht Steppen-ähnlich aus, ab und zu sieht man ein paar Palmenplantagen. Hier wird Palminöl abgebaut. An einer kleinen Bambushütte halten wir an und bekommen eine kurze Einweisung in die Herstellung von Zuckerrohr, Palmin- und Erdnussöl und Schnaps. Während wir Touristen von einer Ecke der Hütte in die nächste geführt werden, dreht draußen in der Sonne ein Bulle seine Runden an einer Erdnussölmühle. Jedes Mal wenn ich mich mit dem Fotoapparat nähere, fängt er an zu grunzen. Touristen scheinen sich  offensichtlich nicht beliebt gemacht zu haben bei ihm.
Einer seiner Artgenossen zieht  hinter der Hütte einen alten Bauern  in seinem Pflug über ein trockenes Erdnussfeld.
Beim Gang auf die Toilette fällt mir ein Kunststoffbeutel mit frischem Fleisch an der Außenfassade der Hütte auf. Wie mir später erklärt wird, ist diese kleine Ecke mit Vormittagsschatten der "Kühlschrank".

 
Eine Ochsen-betriebene Erdnussölmühle

Bereit zum Pflügen, nur der Bauer hat sich noch mal
kurz in die Büsche geschlagen

Ein Sud aus Palminöl wird gekocht

Schnappsherstellung mit einfachen Mitteln

Der natürlichste Kühlschrank der Welt:
eine Ecke Schatten

Frisch geerntete Erdnüsse; üblicherweise gedeihen sie
nur in recht trockenen und sandhaltigen Gegenden
 
 
- ca. 11 Uhr - 
Die Sonne steht an blauem Himmel und wärmt nun endlich die Umgebung auf. Nachts fällt das Thermometer regelmäßig auf ca. 10-15 Grad ab, so dass die Sonne ihre liebe Mühe hat, bis mittags alles aufzuheizen, um sich nach Sonnenuntergang schlagartig wieder abzukühlen.
Wir laufen die kühlen, gefliesten Stufen des Mt. Popa hoch - bzw. ist es eigentlich ein kleiner Hügel direkt neben dem Vulkan Mt. Popa, auf dem eine Pagode errichtet wurde. Die Gänge sind mit Welchblechdächern abgedeckt, so dass auch bei Sonne, Regen...ein Besuch möglich wäre. Da es jetzt allerdings weder übermäßig warm noch nass ist, nutzen die hier lebenden Affen die Dächer als Tollwiese. Scheppernd und rumpelnd hüpfen sie darüber, tauchen mal an der einen und mal an der anderen Ecke auf. Eine ganze Horde hält sich in der Nähe des Eingangs der Pagode auf. Sie pieksen und ärgern sich gegenseitig, scheinen ihre Kleinsten zu ermahnen oder beißen sich gegenseitig frech in die Hinterpfoten. Während ich das lustige Treiben beobachte, kommt eine Frau mit einem Korb vorbei. Sie bietet den Touristen in kleine Zeitungspapiertütchen gewickelte Affenleckerlies an, die als Opfergabe Glück bringen sollen. Eine myanmarische Touristen kauft der Händlerin ein paar Tütchen ab. Die Äffchen in der Umgebung beobachten alles akribisch. Mit spitzen Fingern reicht die Frau eines der Tütchen an einen mittelgroßen Affen weiter. Sobald der Affe beherzt zupackt, fängt die Frau an zu quieken und geht schnell weiter. Der Affe sitzt nun mit kleiner Papiertüte da und sieht irgendwie aus, als hätte er gerade einen Joint erhalten. Mit flinken Fingern packt er die Affenleckerlies aus und stopft sie sich in den Mund. Das Zeitungspapier wird zur Seite geschmissen.
Die Dame hat bei den Affen Aufsehen erregt. Wild schreiend rennen und springen sie durch die Gegend, wobei man weit mehr Geräusch hört, als dass man die Bande in voller Anzahl wirklich zu Gesicht bekommt. Der Mann der Frau - offensichtlich ein etwas vorsichtigerer Zeitgenosse - hat sich am Eingang der Pagode mit einem hölzernen Rückenkratzer ausgestattet, um nun nach einem Affen zu schlagen, der neben ihm auf dem Geländer sitzt. Mehrmals beobachten wir diese Situation, wie einerseits gefüttert, andererseits aus Angst vor "Affenübergriffen" geschlagen wird. Meist auch vorsorglich, um den nötigen Abstand zwischen Affe und Mensch zu schaffen.
Die Stimmung unter den Vierbeinern kocht weiter hoch und erreicht schließlich ihren Höhepunkt als erneut die  Affenleckerlie-Händerlin auftaucht. Haben wir gerade noch versucht, durch stilles Beobachten, ein bisschen Ruhe hineinzubringen, müssen nun auch wir aufgeben - wir werden von kleinen feuchten Fingerchen in die Zehen gezwickt, die Sonnenbrillen werden vom Kopf stibitzt... wir ergreifen die Flucht.

Popo-Entlausen beim Kleinen

Der Frechtdachs wartet auf den nächsten
spendablen Touristen, der Affenleckerlies
verteilt
 
 
- Kurz danach -
Wir befinden uns mittlerweile ein paar Treppen höher im Aufstieg und stoßen auf den ersten, bereits im Reiseführer angekündigten Treppenputzer. Bei den vielen Affen und Umgebung braucht des die auch, denn auch in dieser Pagode gilt, wie überall, dass sie barfuß zu betreten ist. Der Treppenputzer ist ein älterer Mann, der Mitten auf den Stufen hockt und mit gekrümmten Rücken die Stufen feucht abwischt. Jedes Mal wenn ein Tourist vorbei kommt, streckt er seine Hand aus. Mit faltiger, braun gebrannter Hand nimmt er die Scheine als "Spenden" entgegen und verstaut sie knittrig in seiner Tasche. Seine Augen tränen und schimmern trüb während er mit einem "Chezu Ba" - Danke - antwortet. Weiter oben warten noch einige mehr Treppenputzer auf spendenfreudige Touristen. Und so scheint es ein Selbstverständnis für myanmarische Pagodenpilger zu sein, nicht nur dem Tempel in einen der zahlreichen gläsernen und von Sicherheitspersonal bewachten Urnen zu spenden, sondern auch für die dort arbeitenden Menschen eine Geldgabe zu erübrigen. Wer oben in der Pagode ankommt und dann noch ausreichend Geld hat, kann diese an einem offiziellen Spendentisch abgeben. Dort wird dann alles fein säuberlich in einem Buch notiert, vorübergehend an einer Wandtafel angeschrieben und bei nächster Gelegenheit und einem Spendenbeitrag über 20 USD auf einem Blech- oder Marmorschild verewigt.

Gold, soweit das Auge reicht - allerdings nur in den Pagoden.



Gegen eine Spende darf der Knopf betätigt werden und
alle unter dem Käfig versteckten Mini-Glühbirnen
erstrahlen - ein glücksverheißender Moment

Um die Pilger zu schützen, wurden alle Aufgänge mit Wellblech abgedeckt

Hoch auf dem Felsen neben dem Mt. Popa thront
eine der wichtigsten Pagoden Myanmars.




- Mittags -
Wir sitzen in einem kleinen Restaurant zu Fuße des Mt. Popa und haben wir so oft in den letzten Tagen mal wieder eine nachdenkliche Phase. Zum einen merken wir, dass wir uns in Mitten der absoluten Touristenströme befinden. Und damit meine ich nicht Busladungen voller Reisegruppen, sondern klassische Backpacker wie wir sind. Fragen wir einen unserer Mitreisenden, die schon länger im Land sind, nach ihren Reisezielen, ihren Eindrücken und Empfehlungen, hören wir immer wieder dasselbe. Und das klingt dann in etwa so, wie die ersten 100 Seiten eines jeden Myanmar-Reiseführers. Wir haben das satt. Die Reise bis hierhin war wunderschön, aber wir wollen nicht nur die Gold lackierte und für Touristen drapierte Fassade sehen. Uns wird schnell klar: wir wollen so schnell wie möglich weiter nach Norden. Noch heute Abend soll es los gehen.

- ca. 14 Uhr -
Ein frischer Blumenkranz am Rückspiegel des Fahrers wackelt lustig im Takt der Schlaglöcher hin und her. Er verbreitet einen angenehm süßen und frischen Duft. Unter den Scheibenwischern klemmen weitere Blumen. Der Fahrer hat sie extra vor Fahrtbeginn noch einmal erneuert, um uns Glück zu bringen.
Im Van hat  sich eine schläfrige Stimmung breit gemacht. Von der Nachmittagshitze nun etwas ermattet, haben wir Mitfahrer unsere Köpfe nach hinten sinken lassen, der ein oder andere lässt sogar ein leises Schnarchen hören. Ich werde kurz wach und sehe wie der Fahrer sich nervös über den Kopf fährt und an seiner Trinkdose rumnestelt. Ich kenne diese Gestik aus Vietnam: sie tritt meist auf, wenn der Fahrer merkt, dass er müde wird. Ein paar Schlucke vom Energydrink später, scheint wieder alles in bester Ordnung zu sein. Der Fahrer beugt sich leicht über das Lenkrad und schaut angestrengt auf die Straße vor ihm. Ich schlummer wieder ein.
Ein spitzer Schrei lässt alle von uns hochschrecken. Die Beifahrerin - eine deutsche Touristin - kreischt während wir auf einen Lkw zurasen, der auf der Straße vor uns steht. Der Fahrer tritt nun endlich beherzt ins Bremspedal, um wenige Zentimeter entfernt vom blechernen Ungetüm stehen zu bleiben. Die Frau ist außer sich und klärt nun alle Mitfahrer darüber auf, dass der Fahrer die ganze Zeit schon Probleme mit Sekundenschlaf gehabt hätte. Während wir anderen noch völlig perplex sind, bedankt sich der Lebensgefährte der Frau mit einem Schulterklopfer für die lebensrettende Aktion. Der Fahrer hingegen fängt nun wiederum an, wild zu hupen, mit den Armen zu fuchteln und ganz offensichtlich dem Lkw die Schuld zu geben. Wo er doch hier einfach in der Pampa quer auf der Straße steht, um einem anderen Auto auszuweichen. Nach diesem Nahtoderlebnis ist es mit der schläfrigen Atmosphäre schlagartig vorbei.

Auch reicher Blumenschmuck hilft gegen Sekundenschlaf
 nicht, so lernen.


- ca. 16 Uhr -
Im Hafen von Bagan ist weit und breit kein Schiff zu sehen. Eigentlich beschreibt "Hafen" den Ort nicht ganz. Eher handelt es sich hier um einen großen, parkplatzähnlichen Sandplatz am Flussufer, auf dem müde ein paar Hunde im heißen Sand dösen und sich ein paar Jungs im Wasser waschen. In der Bar neben dem Platz tummeln sich ein paar Männer in einem offensichtlich nicht mehr ganz so nüchternen Zustand. Einer von ihnen kommt zu uns rüber und erklärt uns mit wenigen englischen Worten, dass heute kein Schiff gehen würde. Wir haken noch einmal im Flussfahrtamt knapp hinter dem Hafen nach, aber hier scheitert man vollständig an den fehlenden Sprachkenntnissen. Ich versuche es mit Karte, Skizzen... Aber bevor wir überhaupt so richtig in einen non-verbalen Flow kommen, wird alles abgeriegelt. Man scheint keine Auskünfte geben zu können. Der Plan mit dem Schiff nach Myanmar fahren zu können, hatte sich einfach zu verführerisch angehört. Mehr als 2 Tage solle man für die flussaufwärts führende Fahrt einplanen, dafür wäre dann aber auch sicher gestellt, dass nur minimalste Mengen an anderen Touristen da wären und umso mehr Einheimische.

- ca. 17 Uhr -
Die Sonne verschwindet rötlich schimmernd hinter den Hügel. Die Ziegel der umliegenden Pagodenruinen fangen noch einmal an zu leuchten, um dann in ein dämmriges grau zu fallen. Sobald die letzten Sonnenstrahlen verschwunden sind, breitet sich sofort die nächtliche Kühle aus. Es ist ein guter Moment um Abschied von der schönen Umgebung rund um Bagan zu nehmen.
Wir treten mit unseren E-Rollern den Heimweg zum Hotel an. Auf menschenleeren Straßen fegen wir durch die dunkler werdende Steppe und halten nur an, als ein Ziegenhirte seine Herde vor uns über die Straße treibt.

Die letzten Ziegen werden nach Hause getrieben.

... hätten wir auch nicht gemacht. Bestimmt. Versprochen.



Beliebtestes Fotomotiv Nummer 2 in Bagan: der Sonnenuntergang

-ca. 19 Uhr -
Nachdem unsere geplante Schiffsreise nach Mandalay nicht geklappt hat, haben wir uns wieder einmal für die zeitsparende Nachtbus-Variante entschieden. Und nun sitzen wir hier im Hotel und warten auf unseren Zubringer. Dieser wurde schon für vor einer halben Stunde angekündigt. Jedes Mal, wenn wir den Hotelbesitzer danach fragen, fangen seine Koteletten und sein Haarschopf lustig an zu springen, er zieht seine Jeans-Schlaghose hoch, schmunzelt und nimmt dann hektisch sein Handy zur Hand, um nach dem Zubringer zu telefonieren. Mit seinem Aussehen, erinnert er ein bisschen an die myanmarische Ausgabe vom Schlagersänger Rex - nur irgendwie jünger, kleiner und myanmarischer.
Eine halbe Stunde später kommt unser Zubringer. Die einstündige Verspätung will nun der Fahrer offensichtlich innerhalb weniger Minuten durch irgendein transuniverselles Gesetz wieder einholen zu wollen - jedenfalls macht er so ein Stress. Die Rucksäcke fliegen nur auf das Dach des Minitrucks, wir nehmen darunter Platz und schon geht es los zum Busbahnhof außerhalb der Stadt.
Kurze Zeit später sitzen wir im Bus nach Myanmar und lassen unter gehörig Gewackel der Fahrt den Tag Revue passieren. Die Eindrücke hätten für eine Woche gereicht.

Eine löbliche Aktion - leider aber nur in Bagan
und nicht in ganz Myanmar anzutreffen

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