Donnerstag, 18. Dezember 2014

Zwischenstop in HCMC – It's Party time!

Trang wartet auf den Treppen vor unserem Hotel. Ihr Auto parkt auf der gegenübliegenden Straßenseite. Wir begrüßen uns kurz, wie in Vietnam üblich, relativ kühl mit einem schnellen „Hallo“. Daran ändert auch nichts, dass uns mittlerweile eine 10-jährige Freundschaft verbindet und wir uns das letzte Mal vor einem Jahr gesehen haben. Schnell geht es ins Auto und ab ins Restaurant. Trang hat sich aufgebrezelt – sie trägt ein weißes Kleid mit Spitzenüberzug und scheint von Jahr zu Jahr eher jünger als älter auszusehen.

- ca. 20 min später -

Trang parkt ihr Auto auf dem Gehsteig und bekommt vom „Sicherheitspersonal“ einen kleinen Zettel in die Hand gedrückt. Dann betreten wir das Restaurant.
Wie in vielen Teilen Vietnams erfreut sich auch dieses Seafood-Restaurant großer Beliebtheit. Es besticht nicht durch eine besonders herausragende Atmosphäre. Ganz im Gegenteil: die Wände bestehen zum Teil aus Rohputz, der Fußboden ist braun gefliest. Man sitzt an Edelstahltischen und auf Plastikstühlen. Aber das Angebot ist gut. In der Mitte des Lokals stapeln sich mehrere Aquarien zu einer Pyramide. Im grünlichen Wasser sieht man Fische aller Art, Krebse und Hummer, Tintenfische, Muscheln aller Farben, Formen und Größen und sogar eine Moräne findet sich in einem der hinteren Glasbecken.

Am Tisch warten bereits zwei Kollegen von Trang und eine der Ehefrauen, die uns mit einem breiten und herzlichen, aber zurückhaltenden Lächeln und „hello“ in Empfang nehmen. Trang reißt sofort das Zepter an sich und bestellt gefühltermaßen die halbe Speisekarte. Der Kellner wartet neben ihrem Platz, um die Momente abzupassen, in denen sie ab und an den Kopf aus der Karte hochfahren lässt und mit drei, vier Sätzen eine weitere Bestellung abgibt. Wie in Vietnam üblich wird dabei viel diskutiert – untereinander am Tisch, aber vor allem mit dem Kellner. Denn der hat hier, beim kommunikativsten Völkchen, was ich je erlebt habe, nicht nur eine dienende, sondern auch eine beratende Funktion. Einerseits liegt das daran, dass in Restaurants häufig nicht alle Gerichte vorrätig sind, andererseits auch um zu klären, welche Speise mit welcher Sauce nun zu welchem ergänzenden Gericht passt.

- ca. 15 min später -

Der Tisch ist nun bereits mit Herzmuscheln, Langmuscheln, einer Art Miesmuscheln gefüllt, da kommt ein weiterer Teller an – mit Eis bedeckte Austern. Es ist mittlerweile eine vietnamesische Diskussion unter den Arbeitskollegen ausgebrochen. Die Ehefrau hält sich dezent im Hintergrund. Ab und an wird von Trang etwas übersetzt, dann geht die Diskussion weiter. Über „Prost“ und Zeichensprache verständigt man sich, denn die Kollegen können leider kein Englisch oder sind zu schüchtern ihre wenigen Brocken anzuwenden. Macht nichts – gemütlich kann's auch mit Händen und Füßen sein.


Die Unterhaltung wird kurz unterbrochen – Vanh, einem der Männer, wird der Teller mit Austern hingehalten. Er soll prüfen, ob sie noch leben und somit frisch sind. Er bestätigt. Daraufhin wird der Teller am Nachbartisch abgestellt, woraufhin eine Kellnerin anfängt die Austern mit einer Schere zu zerschneiden, sie aber weiterhin in den Muschelschalen belässt.


Wir picken nun also die vor 30 s noch lebendigen Austern aus ihren Schalen. Als nächstes wird ein Teller mit gegrilltem Tintenfisch gereicht. Auch er wurde vorher mit der Schere bearbeitet und in längliche Streifen geschnitten. Wie in Vietnam und vielen anderen südostasiatischen Ländern üblich, steht nun mittlerweile der gesamte Tisch voller Teller. Dabei haben wir selbst lediglich eine kleine Schüssel vor uns, die wir zum unmittelbaren Verzehr verwenden. Einzelne Stücke picken wir von verschiedenen Tellern, parken sie in unserer kleinen Schüssel zwischen, um sie dann noch einmal mit den Stäbchen aufzunehmen und zum Mund zu führen.

- ca. 60 min später -

„Cheers“ - wir prosten uns zu. Da man in Vietnam nicht alleine trinkt, sondern immer wartet, bis die gesamte Runde sich zuprostet (nur bei Alkoholkonsum) muss man als Europäer beständig darauf achten, dass man nicht in das allgemein verbreitete „am-Glas-nippen“ verfällt.
Die letzten Reste an Bier werden ausgetrunken und das ein oder andere Stäbchenpaar wandert noch einmal in Richtung Teller, worauf sich kugelförmige Algen präsentieren.

- ca. 20 min später -

Laute Musik dringt aus einem mit Silberpapier verziertem Haus. Ein Teppich liegt vor der Eingangspforte und Trang wird von einem Portier der Autoschlüssel abgenommen. Über dem Eingang steht „Beer Club Kingdom“. Es macht den Eindruck einer Disco, soll aber angeblich etwas gehaltvoller sein.

Die liebevolle, heimelige Stimmung im Club selbst...

Und weihnachtlich, winterlich sieht es auch von draußen aus.



Vom Eingang aus werden wir direkt in den vollgestopften Innenraum geschoben. Überall stehen Menschen und wiegen sich dezent im Takt. Im hinteren Teil kann ich eine Bar erkennen, vorn auf der Bühne bounced ein DJ hinter seinem Pult. Ein großer Bildschirm hinter ihm wirbelt wilde Farben hin und her.

Direkt vor der Bühne wird uns ein Stehtisch zugewiesen. Innerhalb von wenigen Minuten ist unser Tisch mit allerlei Snacks vollgestellt – nicht aber mit Chips oder ähnlichem, nein: mit kleinen Wiener Würstchen, mit in Scheiben geschnittenen Braten und Jagdwurst. Dazu gibt es Chilisauce zum Dippen.

Die Pissoirs soll die Männer wohl bei Laune halten.


- ca. 5 min später -

Auf unserem Tisch parken mittlerweile 8 Flaschen an Tiger Beer. Unsere Gastgeber werden immer aufgekratzter und sind in ausgelassener Stimmung. Die ersten englischen Wörter fallen, der Rest findet weiterhin mit Händen und Füßen statt. Ab und zu kommt eine hübsche Bedienstete im kurzen Tiger Beer Dress an und hängen sich an Phu, einer von Trangs Kollegen. Offensichtlich haben wir den Platz vor der Bühne nicht ohne Kontakte bekommen.

Ich schaue mich im Raum um. Die Wände sind komplett mit Silberpapier verkleidet, von der Decke hängen viele kleine Disco-Kugeln und von den Wänden starren uns kleine farbige Hirschköpfe an. Stilecht wurde ihnen jeweils ein Schal umgebunden – es ist Winterzeit; es ist Weihnachtszeit.

Hirschköpfe, warm eingepackt in Karo-Schals


- ca. 30 min später -

Die Bierflaschen sind von unserem Tisch verschwunden, dafür steht da nun eine riesengroße Biersäule, aus dem uns frisches Bier in die Gläser gezapft wird,
Es kündigt sich ein DJ-Wechsel an, da springen drei Tiger Beer Mädels auf die Bühne. Unsere Gastgeber werden ganz hippelig. Eine der Mädels reißt einem Moderator das Mikro aus der Hand und beginnt lauthals hineinzuschreien. Das Publikum wird immer aufgeregter. Selbst die betrunkenen und vom Shisha-Rauchen benebelten Jungs und Mädels hinter uns, werden wieder wach und fangen an, exzentrisch zu kreischen.
Wenn ich alles richtig verstehe, dann findet hier gerade eine Tombola statt, gesponsort von Tiger Beer. Verschiedene Nummern werden ins Mikro gerufen, woraufhin jeweils ein glückstrunkener Vietnamese auf der Bühne erscheint und seinen Preis entgegen nimmt.
„Mot – hai – sau - ...“ Vanh fängt an zu jubeln und reißt die Hände in die Höhe. Wir umliegenden klatscher. Mit drei Sätzen ist er auf der Bühne und reiht sich in die Tiger Beer Mädels. Überglücklich und mit ein paar Tränen in den Augen kommt er wieder an den Tisch zurück, um nach der nächsten Ankündigung gleich wieder auf die Bühne zu springen. Zweimal hintereinander gewonnen, Vanh kann sein Glück kaum fassen.

Der glückliche Gewinner nimmt seine ...

... Gewinne entgegen.

- ca. 10 min später –

Die Jungs befinden sich immer noch im Freudentaumel über den Gewinn. Die Euphorie schwappt auch auf uns über. Die Stimmung wird immer ausgelassener. Aber nicht nur bei uns. Um uns herum sehe ich, wie sich die ersten Dramen abspielen, sich Teenager küssend um den Hals fallen – es scheint überall auf der Welt das gleiche zu sein. Noch eine Stunde, so schätze ich, und man kann die ersten schluchzenden Mädels vor den Toilettentüren finden. Dabei wird hier extra Bier mit geringerem Alkohogehalt ausgeschenkt – 1,8 Vol.%, das kommt einem Cidre gleich.

Der DJ, der gern Elektro mit X-mas mixt - und äußerst jugendlich zu sein scheint

Die Tiger Beer Mädels laufen mit kleinen glühenden Kokoskohle-Pads durch die Gegend und füllen die Shishas der umliegenden Tische nach. Aus den Lautsprechern dröhnt mittlerweile ein Remix aus Elektro, fein säuberlich hinterlegt mit einem Weihnachtslied.



- ca. 23 Uhr -

Der Portier fährt Trangs Auto vor, die Jungs schwingen sich auf ihre Mopeds, allerdings nicht ohne sich vorher herzlich von uns zu verabschieden. Wir bekommen zahlreiche Einladungen für unseren nächsten HCMC-Trip ausgesprochen und Hilfe, wenn es mal am Flughafen Probleme geben sollte. Es ist die typische und überaus herzliche Verabschiedung nach einem gelungenen Abend. Dafür ist in Vietnam nicht viel notwendig – ein bisschen zusammen essen, ein bisschen zusammen trinken, ein bisschen zusammen lachen. Besser kann für beide Seiten ein Abend nicht laufen.

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