Sonntag, 25. Januar 2015

Myanmar - Sonnenuntergang in der Shwedagon Pagode

Ein Straßenkünstler in Yangon


Im Hintergrund bellt eine ganze Horte von Hunden. Irgendwann geht die Geräuschkulisse in Jaulen über. Erst jetzt schafft der Gong, die Hundemeute zu übertönen. Beyael, unser Reiseführer für heute, lacht und erklärt uns, dass die Hunde zum morgendlichen Gong-Geräusch Essen bekommen würden. Nun ist später Nachmittag, die Sonne ist kurz vorm Untergehen. Abends gibt es nichts zu Essen. Das haben auch die Hunde gemerkt und ergehen sich nun in ihrem Leid. Für uns ist es das Zeichen wieder aufzubrechen. Noch stehen wir vor einem 72 m langen und 35 m hohen Buddha in der Chauk Hlat Cyi-Pagode. Als Baumaterial diente Sandstein. Davon kann man allerdings nichts mehr erkennen. Denn in mühevoller und kunstvoller Kleinarbeit wurde die gesamte Oberfläche geschliffen und lackiert. Das Resultat ist beeindruckend.

Der ruhende Buddha in der
Chauk Hlat Cyi Pagode


... und seine beeindruckenden Füße mit den
traditionellen 108 Symbolen.


Nun wird es aber wirklich Zeit aufzubrechen. Denn auf uns wartet noch ein Hot Spot, ein Höhepunkt - für viele Touristen ist es sogar der Höhepunkt des ganzen Urlaubs.





Kleine Hunde, die auf einem Straßenmarkt ...

... im Zentrum Yangons zum Verkauf angeboten werden


Wir überreden Beyael, dass wir noch einmal den Bus nehmen statt des Taxis. Denn irgendwie ist es so doch wesentlich interessanter durch die Stadt zu fahren. Keine 15 min später stehen wir am Aufgang zur berühmten Shwedagon-Pagode. Kein Tourist in diesem Land kommt umhin, diese Pagode zu besuchen. Und sofern es nur irgendwie möglich ist, versuchen auch Einheimische mindestens einmal im Leben dorthin zu reisen. Da wir Ausländer sind, werden wir selbstverständlich zur Kasse gebeten. Dafür möchte uns Beyael aber auch den kompletten, gebotenen Komfort zukommen lassen und weißt uns bestimmt die Richtung zum Fahrstuhl. Wir haben bei einem späteren Yangon-Besuch den Fußẃeg hoch zur Pagode noch einmal nachgeholt und ich muss festhalten, dass dieser der Fahrstuhlfahrt eindeutig vorzuziehen ist. Denn rechts und links der Treppen gibt es kleinere Läden, die allerlei Souvenirs und religiöses Zubehör anbieten. Auch wer sich davon nicht einfangen lassen möchte, kann hier durchaus ein interessantes Treiben von Touristen, Einheimischen, Gläubigen und Mönchen beobachten.


Die eingerüstete Shwedagon Pagode
kurz nach Sonnenuntergang.



Mittlerweile sind wir in der Pagode selbst angekommen. Die Sonne ist soeben untergegangen, so dass sich die goldene Kuppe gegen den dunkelblauen Abendhimmel hell abzeichnet. Es entsteht fast schon eine heimelige Stimmung.
Da die Shwedagon Pagode momentan gerade restauriert wird, sind allerdings Großteile der Kuppel unter hellen Reismatten verborgen. Sie verdecken nicht nur das Bambusgerüst, welches an der Außenhülle der Pagode emporragt, sondern bietet Gold und Arbeitern Schutz. In mühevoller Kleinarbeit werden aller vier Jahre sämtliche Goldkacheln der Außenhülle abgetragen und neu mit Gold beschichtet. Anschließend werden sie wieder montiert. Unter zu starker Sonneneinstrahlung oder Regen, könnten die Farb- und Goldschichten nicht ordentlich abbinden und würden zu schnell abgetragen werden. Außerdem würde es die Arbeiter unter eine all zu hohe Lichtintensität setzen.
Eigentlich ist es traurig, dass wir in dem 4 Jahresrhythmus genau diese zwei Monate der Restaurierung mit unserer Reise getroffen haben. Andererseits ist es auch erstaunlich zu sehen, dass trotz der hellen Reismatten-Hülle so viel Goldschein und Glitzer von allen Seiten reflektiert wird, dass man aus der Ferne meinen könnte, dass auch die Matten golden wären.


"Moderne" LED-Beleuchtungen werden
verwendet, um die Erleuchtung Buddhas
darzustellen.


Schließlich lassen wir uns erschöpft in eine der ruhigeren Ecken fallen. Schräg vor uns sitzt eine Gruppe von Mönchen auf dem Boden. Alle scheinen mit ihren jeweiligen Smartphones beschäftigt zu sein. Vermutlich surfen sie im Internet. Denn die Stadt Yangon hat sich eine listige Marketing-Strategie von anderen Sehenswürdigkeiten der Welt abgeschaut: bietet man Touristen kostenloses WLan an, wird der Zugang häufig genutzt, um in social medias zu posten, wo man ist und bestenfalls gleich noch ein Bild zu veröffentlichen. Eine effektivere Werbung gibt es kaum.
Hinter uns spielt ein kleines Kind mit einem, zumindest für seine Verhältnisse, riesigen Gong. Jede Ecke scheint belebt zu sein und doch findet man hier Ruhe.
Wir sind erschöpft, fertig von der Wärme des Tages, die mit 34 Grad und einer hohen Sonnenintensität immer noch gewöhnungsbedürftig ist; Erschöpft aber auch von den vielen Eindrücken, den zahlreichen Geschichten und ein bisschen auch einfach  nur vom Zuhören. Beyael scheint allerdings noch recht fit zu sein. Er fordert mich auf, ihm noch mehr Fragen zu stellen. Und auf gar keinen Fall, sollen wir zulange in Yangon bleiben.
"Why?", frage ich.
"Always travel. Travel a lot, see more. Is better for you. When do you leave?"
"Hm, maybe tomorrow or the day after. We don't know exactly. There is no plan."
"You can leave tomorrow evening. Tomorrow evening go the bus to Bagan. Always travel. Is better for you."
Ich fühle mich etwas gestresst. Dabei sitze ich hier eigentlich nur, um mich herum scheint alles golden und vor meiner Nase läuft im langsamen Schritttempo eine Gruppe von Besenkehrern entlang. Irgendwie hat Beyael ja Recht. Es ist der erste Tag unseres Myanmar-Aufenthalts. Vielleicht sollten wir hier in der Großstadt nicht zu viel Zeit verbringen und erst einmal weiterschauen.
"Sven, wollen wir morgen Abend mit dem Nachtbus abreisen?"
 "Hm..." Sven ist weggetreten. Verträumt schaut er auf die Marmorfliesen vor ihm während zu meiner Rechten Beyael wiederholend meint, dass wir doch jetzt endlich die Chance nutzen sollen und ihn alles, was wir je über Myanmar wissen wollten, fragen sollen. Mir fällt nichts mehr ein. In meinem Kopf erstreckt sich gähnende Leere. Beyael kann es offensichtlich nicht fassen und versucht es weiter. Irgendwann sammeln sich in der letzten Ecke meines Gehirns doch noch ein paar Worte an, die sich zu einer Frage gruppieren. Dann wieder... gähnende Leere.

Die traditionellen Besenkehrer ...

... und Kehrerinnen, die in einer Reihe den Hauptgang fegen.


Entsprechend ruhig verläuft der Heimweg - diesmal mit dem Taxi. Es ist neun Uhr abends und nach unserer zwölfstündigen Stadtführung darf sich Beyael mit seiner Taxiwahl durchsetzen. Es wird hart verhandelt. Von der Shwedagon Pagode bis zu unserem Hostel in Chinatown werden nicht mehr als 3500 Kyat - 3,5 USD - bezahlt. Punkt. So lautet der Preis, der ihm fair erscheint. Erst der vierte Taxifahrer willigt ein. Vermutlich haben wir es Beyael als Ausländer nicht gerade leicht gemacht und die Preise automatisch durch unsere pure Anwesenheit schon hoch getrieben.


Abendliche Stimmung in der Shwedagon Pagode

Als wir am Hostel ankommen, geht alles ganz schnell. Das Haus liegt in so einer engen Straße, dass ein Auto sofort alles verstopft und lediglich Passanten passieren können. Andere Autos haben keine Chance. (Und Mopeds sind in Yangon verboten, so dass sich nicht die übliche knatternde Flut durch die engen Gassen ergießt.) So verstopft unser Taxi also sofort die kleine Gasse vor unserem Hostel. Hupen erklingt hinter uns. Das Taxi solle weiterfahren. Gleichzeitig muss es uns ausladen. Und wir müssen wiederum das Taxi bezahlen.
Beyael möchte mit dem Taxi gleich noch weiter nach Hause fahren. 'Aber wir haben ihn noch nicht bezahlt', schießt es mir durch den Kopf.
Es ist der dümmste Anfängerfehler überhaupt, den wir begangen haben. Wir haben uns auf eine Führung eingelassen, ohne sofort nach dem Preis zu fragen und diesen zu verhandeln. Nein, wir haben in typisch deutscher Manier erst einmal abgewartet, was denn kommen möge, haben jeden unangenehmen Gedanken daran beiseite geschoben. Na super und nun kramen wir Anfänger auch noch in unseren Dollarnoten herum. Wir verhandeln untereinander, wir verhandeln mit Beyael. 20-Dollarscheine will er nicht. Die wären zu klein und er würde einen schlechten Umtauschkurs bekommen. Aber sonst bleibt uns nur ein 100-Dollarschein übrig. Und dafür kann uns Beyael natürlich kein Wechselgeld herausgeben. Großzügig bietet er an, dass wir ja schon mal bezahlen könnten und wenn wir nach Yangon zurück kommen würden, führt er uns einfach noch einen Tag herum.
"No problem."
'Na klar, du Schlawiner', denke ich. Wir drücken ihm schließlich 60 USD in 20-Dollarscheinen in die Hand. Aber es ist zu spät. Auch wenn er nicht unseren kompletten Dollarnoten-Vorrat gesehen hat, so sind ihm doch die Augen schon groß geworden. Er meint wieder, das könne er nur schlecht tauschen und knöpft uns noch weitere 5 USD ab.
Insgesamt 65 USD für eine Stadtführung, das ist vermutlich der höchste Preis, den je zwei Touristen dafür bezahlt haben. Normal sind 40-50 USD.
Das bitterste ist nicht die Summe, sondern die Einsicht, die einige Sekunden bis Minuten später folgt. Manchmal erscheint es mir so, als könne man unbegrenzt viel Zeit in Südasien verbringen und denken, man hätte nun einigermaßen einen guten Durchblick. Aber irgendwie hat dann doch jede Reise noch einmal eine Situation parat, in der man sich mit seinen eigenen Löffeln gehörig über den Tisch gezogen fühlt. Bitter ist es vor allem, wenn es in Standardsituationen passiert.

Wer also mal das Bedürfnis hat, die Yangon'sche Reiseführerbranche zu unterstützen, der befolge einfach das obige Vorgehen. Er wird hundertprozentig auf Erfolg stoßen. Wer es sogar noch etwas auf die Spitze treiben mag, der kann auch gern mit seinem vollständigen Vorrat an Dollarnoten vor den Augen des Reiseführers wedeln oder auf Taxifahrten bestehen oder mittags in ein super teures, eher europäisch angehauchtes Restaurant gehen oder ... na, euch wird schon was einfallen. Und wenn ich raus bekomme, wie es zu steigern geht, gebe ich euch Bescheid.

Kleiner Nachtrag:
Wir haben im weiteren Verlauf des Urlaubs noch ganz andere Eindrücke vom Land bekommen. Wenn man einmal durch ärmere Gebiete gereist ist, wird einem schlagartig klar, wie wichtig es ist, dass das Geld direkt bei der Bevölkerung ankommt und dass es gut verteilt wird. In diesem Sinne sollte sich jeder Tourist fragen: Ist es besser einen lokalen Reiseführer 15 USD zu viel zu bezahlen oder jeden Tag in ein Café zu gehen, was ausschließlich von  Touristen frequentiert wird?
Aber ganz so einfach ist es manchmal leider nicht.

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