Sonntag, 1. Februar 2015

Myanmar - Tztztztzt... und ein leichtes Kopfschütteln

Wir sitzen im 8.Stock ,direkt unter dem Dach, zum Frühstück. Mittlerweile haben wir das Hotel wechseln müssen - wir sind im Partner-Hotel vom Agga Guest House untergekommen. Hier gibt es ein Doppelzimmer für denselben Preis, aber vom Standard her bedeutend höher.
Zum Frühstück gibt es die Auswahl zwischen traditionell myanmarisch und Omelett. Wir wählen traditionell myanmarisch - steamed Reis mit green beans and fried egg. Derweil schlappt ein US-Amerikaner ins Lokal. Mit Stoff-Cowboyhut und Rockershirt begleitet lässt er sich an einen der Tische fallen, um kurze  Zeit später dem Personal mit rauer Whisky-Stimme, die Vorzüge und gesundheitsfördernden Effekte von Käsekonsum zu erklären. Das myanmarische Personal scheint vom Redefluss leicht überfordert zu sein, wird aber bald damit beschäftigt alle möglichen Käsesorten, die das Hotel vorrätig hat, auszutreiben. Dazu wird auch gleich noch ein Bier geordert.

Ein französisches Pärchen betritt den Frühstücksraum. Sie hat ein knielanges Bandeau-Strandkleid an. Ihre Schultern sind nackt und das Oberteil ihres Kleides verrät recht deutlich, dass sie keinen BH trägt. Vor meinem inneren Auge erscheint die Hinweistafel vom Flughafen und die zahlreichen Bekleidungsratschläge im Reiseführer. Gleichzeitig wird mir bewusst, wie meine deutsches Ego innerlich ein Pappschild emporstreckt auf dem ein langgezogenes und rhythmisches "tztztztztz" steht, begleitet von einem leichten Kopfschütteln. Ich glaube, ich brauche eine Touri-Pause.

Quelle: http://dosanddontsfortourists.com/

Quelle: http://dosanddontsfortourists.com/


Eine halbe Stunde später
Wir sitzen auf abgewetzten Plastikhockern auf dem Bürgersteig ein paar Querstraßen entfernt von unserem Hostel. Hinter uns tobt das Yangon'sche Straßenleben. Ein Polizist in schwarzen Springerstiefeln, die Hosenbeine rein gesteckt, mit weißem Hemd und Helm begleitet, springt aufgeregt zwischen den Autos einer vierspurigen Hauptverkehrsstraße herum. Vor uns steht ein kleiner Wagen mit einer roten Wachstuchdecke und zahlreichen roten Eimerchen. Dahinter holte eine Frau mittleren Alters "crashed ice" aus einem der roten Plastikeimer. Mit ihrer rechte Hand taucht zweimal tief in den Eimer ein, um mit jeder einen trüb angelaufenen Bierkrug zu füllen. Neben ihr steht ein Mann, ungefähr desselben Alters, mit leicht indischem Aussehen und dunkelbrauner Haut. Mit seiner rechten Hand schiebt er schwungvoll ein Rad an. Es ertönt ein Geklimper und Geläute, was sicher einen Häuserblock weiter noch zu hören ist. Leicht wird es überlagert von einem weiteren Glockengeläut. Die Zuckerrohrentsafter binden diese Glocken an ihre Maschinen, um mehr Kunden anzulocken. Je lauter, desto auffälliger, desto mehr Kunden - eine einfache Rechnung.
In unregelmäßigen Abständen schiebt der Mann ein kleines Stück Zuckerrohrstängel zwischen die Walzen der Maschine. Üppig trieft der Saft heraus, tropft breitflächig herunter und wird schließlich in einem weiteren roten Plastikeimer aufgefangen. Die übrig bleibenden Zuckerrohrfasern werden in ein altes Tuch gewickelt und nun vollends mit der Hand ausgepresst. Voila, nun wird noch alles in die Bierkrüge gekippt, ein Strohhalm gereicht und schon ist der frisch gepresste Zuckerrohrsaft fertig. Prost!

Die Auswahl mancher Straßenstände ist recht vielseitig:
es gibt Brot, Tofu, Gelee für Jelly Bubble Tea, Lemonen- und
Avocadosaft und natürlich auch Zuckerrohrsaft
(versüßt durch Glöckchengeläut).

 


Ein kleiner Einschub: Wer in Südasien unterwegs ist, wird wohl kaum um den Genuss des Zuckerrohrsafts drum herum kommen. Er schmeckt nicht einfach nur süß und nach Zucker. Im Gegensatz zu unserem raffinierten Backzucker ist seine pflanzliche Herkunft noch deutlich schmeckbar. Das gefällt nicht nur uns Europäern, sondern erfreut sich auch äußerster Beliebtheit bei Schulkindern und Kind-Gebliebenen. Dem ein oder anderen wird bei den voran gegangenen Zeilen aber ebenfalls ein Pappschild mit einem "Tztztztzt", kombiniert mit einem leichten Kopfschütteln, in den Sinn gekommen sein. Ja, es ist tatsächlich so: um Eis macht man einen Bogen, auch um Salat, geschälte Früchte, um ... Na klar, macht jeder anständige Tourist darum einen Bogen. Aber bei allen Vorsichtsmaßnahmen, die man als Tourist mit sämtlichen Reiseführerbelehrungen im Hinterkopf hat, hat man auch mal schwache Momente. Das kann eine kleine Gurkenscheibe neben der Nudelsuppe sein, ein Stück Ananas, was man von einem freundlichen Sitznachbarn im Bus angeboten bekommt oder eben ein Zuckerrohrsaft, bei dessen Zubereitung man nicht schnell genug "no ice, please" ruft bzw. sich überhaupt auf so eine Köstlichkeit einlässt - schließlich sind die Zuckerrohrstangen auch schon geschält. In meinen nun insgesamt acht Monaten Asienerfahrung habe ich die ein oder andere Woche mit Krämpfen, hohem Fieber, Übelkeit und Dehydrierung im Bett gelegen. Und ich kann euch sagen: sämtliche Vorsichtsmaßnahmen sind gerechtfertigt, aber habt ihr doch mal einen schwachen Moment, dann zermartert euch nicht. Und um Gottes Willen: macht euch kein schlechtes Gewissen und redet euch nicht Magenkrämpfe und Übelkeit ein, bevor sie nicht tatsächlich da sind, nur weil ihr denkt, dass im letzten Mangosaft auf jeden Fall gefährliche Coli Bakterien drin waren.
Meine Erfahrung ist: Wenn der Bauch völlig normal vor sich hin gluckert und sich alles anfühlt, wie immer, dann sollte es auch keine Scheu vor frisch gepressten Säften geben und auch ein kleines Blatt Salat in der Suppe wird am erholten Zustand nicht viel ändern. Kündigen sich allerdings die ersten Wehwehchen an, dann gibt man seiner Lust nach Mango- und Zuckerrohr-, Lemonen- und Avocadosaft halt eben nicht nach. Ansonsten werden die nächsten Tage halt ... etwas anstrengender.

 
 
Als Tourist wird man eigentlich permanent in Versuchung geführt,
von den "not safe for you" Essensständen auf den Bürgersteigen zu essen.
Ob man sich darauf einlässt, muss jeder selbst entscheiden - man kann
die besten Gerichte seines Lebens essen oder sich den schlimmsten
Durchfall einhandeln. Nicht zuletzt ist es eine Frage des Kopfes und wie
angeschlagen man schon ist.


Zurück zum Geschehen. Wir schlendern auf dem Bürgersteig weiter und passieren eine Baustelle. Bauarbeiter sitzen vor zwei riesengroßen Plakaten. Auf ihnen sind Bilder mit birmanischen und englischen (vermutlich für die ausländischen Investoren)  Kommentaren zur Arbeitssicherheitsausrüstung der Arbeiter abgebildet. Helm, Arbeitsschutzschuhe und Rettungsgurt werden an einer überlebensgroßen Figur beispielhaft gezeigt. Wir fotografieren die Schilder, die beidseitig des Eingangs zur Baustelle an den Wellblechzaun geheftet sind. Die davor hockenden Arbeiter schauen verwundert erst zu unserer Kamera, dann zum Schild und lächeln uns schließlich freundlich zu. Sie tragen Gummistiefel oder Gummischlappen und gelbe Helme.
Das "Tztztztz"-Pappschild meldet sich diesmal nicht. Na, geht doch. Tag Zwei in Myanmar und das (bedinungslose) Akzeptieren und Annehmen von Eindrücken macht sich ganz langsam breit.

Na, zumindest einer von drei
Baustellenarbeitern hat einen Helm abbekommen.
Vorbildlich!


Neben den allgemeinen Tipps zum Reisen, die jeder Reiseführer parat hat (wie: Fremde Eindrücke annehmen und hinterfragen, aber nicht belehren; und ähnliches.) veröffentlicht die Myanmarische Regierung nicht nur an allen Touristenmagneten des Landes, sondern auch im Internet die wichtigsten Verhaltensregeln: Do's and Don'ts for Tourists

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